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Mit dem Wachsen der böhmischen Kolonie Groß Friedrichs-Tabor – gegründet 1749 in der Baldowitzer Heide auf einer Brandrodung – kamen zunehmend immer neue Flüchtlingsfamilien in die Region Groß Wartenberg. In Folge wurde 1752 eine neue Emigranten-Kolonie, nur wenige Kilometer von Groß Friedrichs-Tabor entfernt, bestehend aus 14 Kolonistenstellen mit etwa je 20 Morgen Land, gegründet. Unterstützt wurde diese Ansiedlung durch die königlich-preußische Kasse. Der jährliche Grundzins betrug 3 Reichstaler. Unter Aufsicht vom Förster Feuerbach musste dafür, wie schon für Groß Tabor; auch wieder Wald gerodet werden.
Der Prediger Vaclav Blanicky (Wenzeslaus Blanitzky), einer der Gründer der böhmischen Kolonien, war bestrebt, die Erinnerung an die Geschichte und Tradition der Hussiten lebendig zu halten. Die Kolonie Hussinetz (Gęsiniec) vor den Toren von Strehlen (Strzelin) erinnert an den Reformator Jan Hus. Die Kolonie Tabor in Schlesien an die 1420 von den Hussiten gegründete südböhmische Stadt gleichen Namens. Die neue Kolonie sollte nach dem Willen von Blanicky „Žižka‟ heißen, nach dem Heerführer der Hussiten Jan Žižka von Trotznow. Die Schreibweise sowie auch die Aussprache dieses Namens war jedoch für die preußischen Behörden sicher ein Problem und sie lehnten diesen Namen ab; der Name wurde in Klein Tabor (tschechisch: Taborek) geändert.
Die Bewohner von Klein Tabor betrieben überwiegend Landwirtschaft, wovon sie sich auch ernährten. Handwerke waren eher selten, bis auf etwas Baumwollweberei. Viele zogen immer im Frühjahr nach Westen, um dort als sogenannte „Sachsengänger‟ Arbeit und Verdienst als Unterhalt für ihre Familien zu suchen. Die Kolonisten erhielten – wie schon in Groß Tabor – auch die Privilegien im herrschaftlichen Forst ihr Vieh während der Sommermonate unentgeltlich zu hüten, im Herbst Waldstreu für ihr Vieh zu rechen und während der Wintermonate Brennholz zu sammeln.
Klein Tabor besaß keine eigene Kirche, sondern gehörte zum Kirchspiel Groß Friedrichs-Tabor.
Die Schule bestand seit 1889. 1900 betrug die Einwohnerzahl 195. In 26 Häusern wohnten 57 Familien. Die gesamte Ackerfläche betrug 97 ha. Nach einer Information aus dem Jahre 1911 unterrichtete ein Lehrer 24 Kinder.
Der Weltkrieg 1914 – 1918 brachte auch für Klein Friedrichs-Tabor tief greifende Einschnitte. Mit dem Versailler Vertrag sind für Deutschland auch neue Grenzziehungen verbunden. So wurde der Kreis Groß Wartenberg geteilt und der östliche Teil gehörte ab 1920 zu Polen. Darunter auch die böhmische Kolonie Klein Friedrichs-Tabor.
Vor der Besetzung durch polnische Truppen siedelten viele Einwohner – insbesondere die jüngere Generation – in das deutsche Reichsgebiet um. Die neue polnische Verwaltung führte zu zahlreichen Veränderungen im Leben der verbliebenen Einwohner.
Den Zweiten Weltkrieg erlebten die Einwohner mit dem Einmarsch deutscher Truppen unmittelbar am 1. September 1939. Die Männer aus den böhmischen Kolonien wurden nun Soldaten.
Nach dem Kriegsende erfuhren die Bewohner Misstrauen als „Volksdeutsche‟ von ihren polnischen Mitbürgern und den polnischen Behörden. Im Ergebnis von Verhandlungen zwischen Polen und der Tschechoslowakei kam es Weihnachten 1945 zur organisierten Umsiedlung aller noch verbliebenen Einwohner. Nach sieben Generationen als Exulanten in einem fremden Land fanden sie in mehreren Dörfer im Kreis Tachov im Westen der ehemaligen Tschechoslowakei eine neue Heimat.
Text: Wolf-Rainer Krüger, Meißen
Foto:
Gasthaus Klein Friedrichs-Tabor (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Zdeňka Kvasničková)
Quellen:
- Kvasničková, Zdeňka: Repatriace českých pobělohorských exulantů z Polska na Bezdručicko po druhé světové válce (Repatriierung der böhmischen Weißer-Berg-Exulanten aus Polen in die Region Bezdružice nach dem 2. WK), Dissertation Karlsuniversität Praha 2015
- Schiller, Adolf: Aufzeichnungen (vor 1945)
- Štĕříková, Edita: Pozváni do Slezska, KALICH Praha 2001
- Štĕříková, Edita: Země otců (Land der Väter), 2. Aufl., KALICH Praha 2005
