Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Brzeziny

Die Stadt Brzeziny bei Lodz war im 16. Jahrh. der größte Tuchmacherort in Polen. Die „Brzeziner Tuche” erfreuten sich im In- und Auslande eines guten Rufes. Im Jahr 1565 zählte die Stadt 290 Tuchmacher u. a. Handwerker, darunter auch Deutsche.
1462 erwarb Brzeziny Michael Lasocki, dann am Ausgang des 18. Jahrh. kam es in den Besitz der Fürsten Ogiński. 1839 fiel das stark verschuldete Brzeziny an den Fiskus.
In der reformatorischen Zeit bildete sich um 1550 in Brzeziny eine kalvinische Gemeinde, die von Christoph Lasocki unterstützt wurde. An ihr wirkten der aus Szydlowiec stammende Gregorius Pauli (Grzegorz Pawel Zagrobelny) und nach ihm Martin Krowicki. An der röm.-kath. Brzeziner Pfarrkirche war als Propst Frycz-Modrzewski († 1572) tätig, der bekannte Vorkämpfer für eine Reform des Staates und der Kirche.

Einen Markstein in der weiteren Entwicklung der Stadt bedeutete die Ansiedlung deutsch-evangelischer Tuchmacher und Handwerker im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts durch die Gräfin Isabella Ogińska geb. Lasocka. Im Jahr 1818 waren hier 80 Tuchmachermeister ansässig, die eine Walkmühle in Rochna besaßen. 1824 vergrößerte sich deren Zahl auf 194, und 1880 gab es in Brzeziny 194 Tuchmachermeister und 25 Großbetriebe von Webereien mit einem Jahresumsatz von 158.800 Rubel. Durch die Lodzer Industrie u.a. Fabrikorte ging die Tuchmacherei ganz zurück.

Die Einwanderung deutsch-evangelischer Kolonisten in die Umgegend von Brzeziny setzte im verstärkten Maße am Ausgang des 18. Jahrhunderts und später ein. Vor 1795 entstand Katarzynow; um die gleiche Zeit Przyłęk, Stefanow und Kiełbasa; 1795 die Siedlungen: Boginia, Erazmow, Felicjanow, Głogowiec, Głombie und Karasica; 1796 Małczew Hauland; 1797 Gaj Hauland und Laski; 1788 Kalkhof-Gałkówek; 1803 Wilhelmswalde-Borowo und Grünberg-Zielona-Góra; 1805 Żakowice; 1819 Leosin und Stamirowice; 1820 Teolin; 1840 Warszewice; 1845: Albertow und Reginow; 1863 Leopoldow; 1864 Kaźmierzow; 1878 Michałow; nach 1880 Tymianka bei Strykow und 1890 Turobowice.
Mit der Besiedlung konstituierten sich die Schul- und Kantoratsgemeinden 1803 in Felicjanow und Gałkówek, 1811 in Katarzynow, 1816 in Żakowice, 1820 in Borowo, 1826 in Brzeziny, 1830 in Głogowiec (vorher schon in Skoszewy und danach noch in Boginia), 1831 in Strykow, 1837 in Teolin, 1841 in Zielona-Góra, 1852 in Leosin und Albertow. Außerdem bestanden und lösten sich dann auf die Kantorate in Warszewice, Jaschnitz-Jasień, Marjanow, Przyłęk Mały, Janow, Przanowice und Mikołajów.

Die Einwanderer stammten aus dem Großfürstentum Posen, Preußen, Schlesien und Mecklenburg. Von der Fürstin Isabella Ogińska erhielten die Evangelischen am 14. April 1816 anfänglich Land zum Friedhof am Wege nach Lipiny und Buczek. Doch 1827 wurde im Vorort Lasocin Land zu einer Begräbnisstätte angekauft. 1826 stiftete Fürstin Ogińska nominell die Parochie Brzeziny — faktisch wurde sie 1829 begründet —, der sie am 20. März 1826 ein Legat vermachte. Im gleichen Jahr ließ sie auf ihre Kosten den Bau der Kirche, des Pfarrhauses und des Wohnhauses für die Bediensteten in Angriff nehmen. Außerdem erhielt die Gemeinde von der Fürstin im städtischen Vermessungsplan aus dem Jahr 1828 vorgesehene Grundstücke zum Kirchplatz, Pfarrgarten, Schulplatz, dann auch Pfarr-, Kantor- und Küsterland sowie zur Wiese, im ganzen 5 Morgen 212 Ruten Land. Die Kirche, an der Frontseite gemauert und sonst von Holz 1826 erbaut, war 40 Ellen lang, 18 breit und 11 hoch. Die Erstellung des Pfarrhauses und der anderen Gebäude zog sich in die Länge, nicht zuletzt durch den polnischen Aufstand 1830/31 mit verursacht. Am 31. März 1826 bestellten die Kirchenältesten, der Schankwirt Johann Kachelmann und der Seifensieder Johann Ruppmich, beim Orgelbauer Zakiewicz in Brzeziny eine Orgel. Am 16. April 1828 wählte die Gemeinde den cand. theol. Christian Georg Hermann zu ihrem Pastor. Erst am 16. Mai 1833 wurde er wegen gegen seine Wahl erhobener Einsprüche durch den Warschauer Supintendenten installiert und gleichzeitig auch die Kirche eingeweiht.
Hermann lag der Ausbau des Schul- und Kantoratswesens, ebenso der Umbau des Gotteshauses am Herzen. Im Jahr 1857 wurden die hölzernen Seitenwände durch gemauerte ersetzt und erweitert, drei Türmchen a. d. Frontseite und die Sakristei angebaut sowie die Kirche innen und außen gemalert. Daniel Pyde aus Ż stiftete im Jahr 1866 den Taufstein. Eine kleine Glocke schenkte die Gutsbesitzerfamilie Patzer aus Rogów. Im Jahr 1860 zählte man in Brzeziny 682 evangelische Deutsche.
Pastor Gustav Adolf Biedermann, Hermanns Nachfolger, baute von 1878-1882 das hölzerne Pfarrhaus zu einem massiven um. Nach 1880 siedelten sich in Tymianka bei Strykow deutsch-evangelische Kolonisten an. Seit 1883 bediente sie viermal jährlich Pfr. Biedermann und hielt ihnen Gottesdienste im Saal des früheren Gutshauses (bis 1945 im Besitz des Kirchenvorstehers Theodor Probek). In dem Lehrer und Kantor Leopold Engel (in Brzeziny von 1869-1887) hatte Biedermann einen guten Mitarbeiter. Nach kurzer Tätigkeit von Pastor Paul Hadrian trat die Pfarrstelle Leopold Wilhelm Wojak an. Er führte überall Kindergottesdienste ein und besuchte regelmäßig die Kantorate. Im Jahr 1904 erbaute er ein einstöckiges Gemeindehaus (Konfirmandensaal mit Wohnungen für den Kantor, Küster und Glöckner). Im Jahr 1910 errichtete er das Schul- und Bethaus in Strykow und 1912 die Kapelle in Felicjanow (eingeweiht erst am 10. November 1928). Das Felicjanower Bethaus brannte im Jahr 1909 ab.
Die Wirksamkeit des Pfarrer Albert Ludwig Wannagat von 1913-1924 fiel in die Zeit des Ersten Weltkrieges und seiner Folgen (Inflation u.a.). Die Durchbruchsschlacht bei Brzeziny wurde Ende November 1914 geschlagen. In der Stadt selbst tobten Straßenkämpfe. Den Küster Fitzke verwundete ein russischer Soldat durch einen Säbelhieb am Kopf, an dessen Folgen er 1917 verstarb. Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus wurden beschädigt. Es waren für Pastor Wannagat schwere Jahre. Am 12. November 1916 wurde in Koluszki die vom Lodzer Militärgouverneur Barth gestiftete Kapelle eingeweiht. Sie sollte nach Kriegsende dem Brzeziner Kirchspiel übereignet werden, was aber nicht erfolgte.

Im Jahr 1920 trugen die Katholiken die Rundholz-Kapelle ab und bauten sie in Rogów als Parochialkirche wieder auf. In den Jahren 1925-1939 amtierte in der Gemeinde Pastor Eduard Kneifel. Es wurden errichtet: 1924-1925 das Schul- und Bethaus in Grünberg, 1928 in Leosin, 1933 in Żakowice, 1933 die Kirche in Borowo; 1925/26 die Schule in Teolin und 1936/37 in Jasień. Das Schul- und Bethaus in Strykow wurde erweitert. 1927 umgab man den Kirchplatz mit einer massiven Mauer. An Stelle der im Kriege zerstörten Orgel bezog die Gemeinde eine neue, deren Einweihung am 23. Januar 1927 stattfand. Am 19. und 20. Oktober 1930 feierte die Parochie ihr 100jähriges Jubiläum und am 10. September 1933 die 100. Wiederkehr der Kirchweihe. Aus letztem Anlaß kaufte das Kirchspiel, da ihm im Ersten Weltkrieg von den deutschen Okkupationsbehörden zwei Glocken requiriert wurden, eine große und eine mittlere Glocke. Um die Eingepfarrten wirtschaftlich zu stärken, gründete der Ortspastor auf genossenschaftlicher Basis die Volksbank in Brzeziny sowie die Filialbank und Warengenossenschaft in Koluszki. Alle drei Institutionen entwickelten sich gut. In der weitverzweigten und zerstreuten Gemeinde mit einem Durchmesser von etwa 40 km erwuchsen dem Ortspastor in religiöser Beziehung viele Aufgaben und Verpflichtungen (11 Predigtplätze). In dem Gemeindekantorat Eduard Sonnenburg (von 1931-1945) hatte er einen zuverlässigen Mitarbeitern. Nach 1945 wurde die Kirche abgetragen.

Zur Gemeinde gehörten 2 Kirchen, 1 Kapelle, 2 separate Betsäle, 6 gemeinsame Schul- und Betsäle, 27 Friedhöfe, Pfarrhaus, Gemeindehaus, alte Schule und Wirtschaftsgebäude.

 

Quellen:
Kneifel, Eduard: Geschichte der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Niedermarschacht über Winsen an der Luhe 1962
Kneifel, Eduard: Die Pastoren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Eging, Niederbayern 1970
Kneifel, Eduard: Die evangelisch-augsburgischen Gemeinden in Polen 1555-1939, Vierkirchen über München 1971
Kneifel, Eduard u. Richter, Harry: Die evangelisch-lutherische Gemeinde Brzeziny bei Lodz/Polen 1829-1945, 2. erg. und erw. Aufl. Vierkirchen/Schwabach 1983


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Evangelische Kirchengemeinde Brzeziny

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