Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Bełchatów

Rassy Hol., Kałduny Hol. und Myszaki Hol. im Kreis Petrikau wurden 1795 gegründet. Als weitere Kolonien in der Bełchatower Gegend kamen hinzu: Huta Poraj, Pawłow Szkolny und Zwierzyniec. In Bełchatow, das 1728 vom König August II. das Stadtprivileg erhielt, ließen sich erst 1804 deutsch-evangelische Tuchmacher u. a. Handwerker nieder. Das gleiche geschah in der unweit von Bełchatow gelegenen Kleinstadt Grocholice. In den Jahren 1824-1830 war eine stärkere Kolonisation insofern wahrzunehmen, als gerade in dieser Zeit in den Standesämtern der katholischen Pfarreien zu Petrikau und zu Grocholice die zusätzlichen Eintragungen von evangelischer Seite häufiger vorkommen.

Stanisław Kaczkowski, der Erbherr von Bełchatow, bemühte sich schon um 1820 — das erste Kirchensiegel trägt dieses Datum — um die Gründung einer evangelischen Gemeinde in seiner Stadt. 1825 erinnerte er die Regierungskommission an die unabweisbare Notwendigkeit der Parochialbildung, weil das nächste lutherische Gotteshaus über 6 Meilen von Bełchatow entfernt war. Von 1828-1832 erbaute der Grundherr die evangelische Kirche mit einem an ihrer Frontseite 100 Fuß hohen Turm. Desgleichen errichtete er im Jahr 1838 ein steinernes Pfarrhaus. Kraft der Fundationsurkunde vom 11./23. April 1836 konstituierte Kaczkowski die Kirchengemeinde Bełchatow — ohne Bestätigung durch das Generalkonsistorium — und gewährte zum Unterhalt des Pastors eine jährliche Beihilfe von 45 Rbl, dazu 12 Klaftern Holz für den Prediger jährlich und 6 Faden Holz für den Kantor. Außerdem dotierte er die Pfarrei mit 2 Morgen Land (etwa 2,5 Morgen Pfarrgarten, 0,25 Morgen für die Kirche und die Wirtschaftsgebäude sowie 0,25 Morgen Land für den Kantor).

Die Evangelischen in und um Bełchatow bedienten anfänglich die Pfarrer von Petrikau. Die Lutheraner von Kleszczów wünschten zunächst keine Vereinigung mit Bełchatow, sondern betrieben die Bildung einer eigenen Gemeinde. Unter der Voraussetzung zweier Predigtgottesdienste im Monat und eines eigenen Standesamtes — stimmten die Kleszczówer einer gemeinsamen Parochie zu. Am 22. Oktober 1837 bestätigte das Generalkonsistorium das Bełchatow-Kleszczower evang.-luth. Kirchspiel. Die Seelenzahl der vereinigten Parochien belief sich auf 4070. Das Gehalt des Pfarrers betrug 2300 Zł. jährlich, des Kantors 300 Zł. und des Küsters 100 Zł. Zehn Jahre später, im Jahr 1847, verselbständigte sich Kleszczow. 1850 gliederte man die Lutheraner, die vorher der reformierten Gemeinde zu Zelow angehörten, an Bełchatow an. Sie wurden hernach in das Filial Poździenice einbezogen. Es wurdeb Kantoratsschulen gegründet, so 1837 in Huta Poraj und Pawłow Szkolny, 1842 in Rassy, 1843 in Kałduny und Myszaki. 1839/40 wurde in Bełchatow eine evangelische Schule ins Leben zu rufen und mit dem Lehrer Karl Rudolf zu besetzt. Dem zweiten Kantoratslehrer (Gottlieb Puddel, 1839-1847) entzog der Grundherr Kaczkowski die Unterrichtserlaubnis.

Die Arbeit im armen Kirchspiel, dessen Glieder ziemlich lange sich selbst überlassen waren überforderte die Kräfte des Ortspastors, so dass Pastor Lembke 1846 Bełchatow verließ, weil es ihm kein Gehalt mehr zahlen konnte. Noch im gleichen Jahr kam Pastor Gustav Ludwig Schwarz. Im Jahr 1852 bestätigten die russischen Behörden die Bełchatower evang. Elementarschule und ernannten deren ersten Lehrer Heinrich Karsch. 1865 wurde das alte Kantorhaus veräußert und das Grundstück neben dem Pastorat erworben, auf dem man das neue Kantorhaus erbaute und in ihm die einklassige Elementarschule unterbrachte. 1873 erbaute die Gemeinde auf Pastor Fiedlers Initiative das steinerne Pfarrhaus.

Drei Faktoren beeinflußten erheblich die weitere Entwicklung der Parochie: die seit 1870 einsetztende Auswanderung nach Wolhynien, die Pest im gleichen Jahr und die Hungersnot 1872. Die Pest, die 300 Menschen in der Gemeinde dahinraffte und Schrecken in den Kolonien verbreitete, nicht minder aber die Hungersnot, von der insbesondere die auf leichten Sandböden ansässigen Kolonisten heimgesucht wurden, schufen günstige Voraussetzungen zur Auswanderungsbewegung der Jahre 1870-1875. Ganze Kantorate lösten sich auf: Zwierzyniec, Stoki, Wola Mikorska, Janow, Rassy, Kelchenhof. Während es z. B. 1870 noch 190 Taufen gab, sank nach 5 Jahren die Zahl auf 125. Bei diesem Wert, von wenigen Schwankungen abgesehen, stabilisierte sich die Zahl der Taufen. Daß die Auswanderung nicht noch einen größeren Umfang angenommen hatte, verdankte das Kirchspiel dem Gemeindeglied Karl Schulz aus Kałduny. Der errichtete eine Tuchfabrik und bot dadurch vielen, insbesondere durch die Heimweberei, von denen etwa 70 % der Eingepfarrten ihre Existenzgrundlage hatten, Arbeit und Verdienstmöglichkeiten. Im Kirchspiel war Pawłow das größte Kantorat und zählte 70 deutsch-evangelische Familien, während 40 Familien der Pfingstgemeinschaft angehörten. Im Ort gab es drei gottesdienstliche Stätten: eine lutherische, einen Brüdersaal und eine Pfingstlerkapelle. Der fast zehn Jahre in der lutherischen Parochie Bełchatow wirkende Balte Ernst Behse kämpfte um die Beibehaltung der deutschen Unterrichtssprache in den einklassigen Schulen zu Kałduny, Myszaki, Pawłow Szkolny, Pawłów, in der dreiklassigen Volksschule zu Bełchatow und einklassigen Schule im Filial Poździenice. Für seine Bestrebungen fand er in der Gemeinde nicht immer Verständnis und Unterstützung. Behses Nachfolger wurde 1924 Pastor Jakob Gerhardt. Während seiner Amtszeit wurde die Kirche von innen und außen renoviert, der Gesangchor neu belebt, regelmäßige Kindergottesdienste eingeführt, eine Spar- und Darlehnskasse gegründet, 1931 das Kantorhaus, das sich die Stadt angeeignet hatte, auf dem Prozeßwege zurückgewonnen und 1936 erweitert. Das l00jährige Jubiläum ihres Bestehens beging die Parochie am 10. Oktober 1937.

 

Quellen:
Gerhard, Jakob: 100 Jahre ev.-luth. Gemeinde zu Bełchatow, in Volksfreund-Kalender 1938, S. 122–127
Kneifel, Eduard: Geschichte der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Niedermarschacht über Winsen an der Luhe 1962
Kneifel, Eduard: Die Pastoren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Eging, Niederbayern 1970
Kneifel, Eduard: Die evangelisch-augsburgischen Gemeinden in Polen 1555-1939, Vierkirchen über München 1971


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Evangelische Kirchengemeinde Bełchatów

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